360° Hugo Wolf
„Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“ Fausts nächtliche Mahnung an sich selbst ist bis heute gültig. Jede Generation sollte sich die Schätze der Vergangenheit neu erschließen dürfen. Und dabei zu ganz eigenen Erkenntnissen gelangen. Auf die Hugo-Wolf-Interpretationen, die Daniel Johannsen, der Wiener Tenor, und sein Klavierpartner Andreas Fröschl in ihrem 360°-Panorama versammeln, trifft genau dies zu: Johannsen, einer der gefragtesten Oratoriensolisten und Evangelisten unserer Zeit, gestaltet den in fieberhaften Schüben schaffenden Spätromantiker mit jugendlich heller und leichter Stimme; sein Partner am Flügel steuert pastellene, vielfach gebrochene Farben und bewegliche Phrasierungen bei. Der Titel des Programms kommt nicht von ungefähr: Die Rundumschau umfasst einen wahren Kosmos menschlicher Erfahrungen: von sinnlicher Ekstase bis zur Blödelei, von tiefgründiger Lebensreflexion bis zur entnervten Klage über ausbleibenden Nachtschlaf. Dass Wolf die zur Vertonung vorgesehenen Texte so lange für sich rezitiert haben soll, bis die Wortakzente scheinbar wie von selbst in melodische Deklamation übergingen – bei diesem Duo erscheint es sofort einleuchtend. „Geht es darum, (deutschsprachige) Texte Musik werden zu lassen, markiert Daniel Johannsen derzeit den Gipfel sinnlicher Sinnvermittlung“, schreibt Peter Korfmacher dazu bewundernd in der Leipziger Volkszeitung.
Konzert mit Pause