
Zum ersten Mal in der Geschichte des Musikfestivals gab es 2023 ein eigenes Ensemble aus jungen, exzellenten Musiker*innen, die eigene Konzerte gestaltet haben. Der Formation überträgt das Musikfestival 2024 nun noch mehr kuratorische Verantwortung.
Im Festivalcampus-Ensemble 2024 versammeln sich 13 Musiker*innen im Alter zwischen 22 und 30 Jahren aus ganz Europa, die am Beginn ihrer Karriere stehen. Sie stehen seit Juli 2023 in engem Austausch und konzipieren in mehreren Projektphasen eigene Programme für das Musikfestival 2024. Neben herausragenden solistischen Fähigkeiten zeichnen sie sich durch breite künstlerische Interessen, kreative Eigenständigkeit sowie ein hoch entwickeltes Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung künstlerischen Handelns aus.
Unterstützt von hoch qualifizierten Coaches und Dozent*innen, werden die Teilnehmenden über Relevanz und Wirkungsmöglichkeiten klassischer Musik in der Stadtgesellschaft nachdenken: Was ist das Konzert heute — und was kann es sein? In welchem Rahmen treffen junge Kunstschaffende auf ihr Publikum? Wie können sie den eigenen Horizont erweitern und ihre Ressourcen im sozialen Miteinander bestmöglich zur Entfaltung bringen? Mit dem Festivalcampus-Ensemble verwirklicht der Heidelberger Frühling eines seiner Hauptanliegen: künstlerische Experimentierfelder für den Nachwuchs zu schaffen, Neues und Ungewohntes anzuregen und in kreativen Schutzräumen wachsen zu lassen.
Inhaltlicher Bezugspunkt ihres Labor-Projekts, dem „Brahms.LAB“, ist der deutsche Komponist des 19. Jahrhunderts Johannes Brahms und insbesondere dessen Kammermusik.
Künstler*innen 2024
Die junge Solistin war 2023 Konzertmeisterin des Festivalcampus-Ensembles. Aus einer Dresdner Musikerfamilie stammend, studiert sie derzeit an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar bei Friedemann Eichhorn und Sönke Reger. In der Saison 2022/23 war Charlotte Thiele Artist in Residence der Bad Reichenhaller Philharmoniker. Neben ihren solistischen Auftritten mit Orchester widmet sich die 23-Jährige intensiv der Kammermusik. Orchester wie die Kammerakademie Potsdam oder das Württembergische Kammerorchester Heilbronn verpflichten sie als Gastkonzertmeisterin. Seit Beginn der Saison 2023/24 ist sie Konzertmeisterin der Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Im Brahms.LAB kuratiert und präsentiert sie unter anderem das Konzert „Frei oder einsam?“. Sie ist außerdem als Fellow gemeinsam mit Igor Levit beim Musikfestival zu erleben.

Die französisch-polnische Geigerin studierte in Lyon sowie an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin bei Stephan Picard. Als aktive Kammermusikerin trat sie bei zahlreichen Festivals wie dem Grachtenfestival Amsterdam oder den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern auf. Seit 2018 musiziert sie regelmäßig mit der Akademie für Alte Musik Berlin, wo sie mit führenden Vertreter*innen der historischen Aufführungspraxis zusammenarbeitet. Juliette Beauchamp ist eine besonders vielseitige Künstlerin, die sich in verschiedenen Stilen und Genres zu Hause fühlt. Als Sängerin und Arrangeurin des von ihr gegründeten „Trio Babayaki“ widmet sie sich der traditionellen osteuropäischen Musik und setzt sich dabei mit den Wurzeln der eigenen Identität auseinander.

2002 in Kiel geboren, gewann Benjamin Günst in der Schulzeit als Geiger und als Pianist Bundespreise bei Jugend musiziert. Als Violinsolist konzertierte er schon früh mit Orchestern wie den Kieler Philharmonikern, dem Karlsbader Sinfonieorchester oder der Kammerakademie Potsdam. Derzeit studiert er an der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler bei Prof. Antje Weithaas. Aufgewachsen in einer Familie von Jazzmusiker*innen, widmet sich Benjamin Günst neben seiner intensiven Tätigkeit als Solist und Kammermusiker mit Vorliebe der Improvisation sowie stilistischen Grenzgängen zwischen den Genres. Mit seinem Streichquartett, dem Feguro Quartett, war er 2023 im Rahmen des Festivalcampus-Ensembles in zahlreichen Konzerten des Heidelberger Frühling Musikfestivals zu erleben. Gemeinsam mit Quartettpartner Toby Cook kehrt er nun zur kreativen Programmerarbeitung im Brahms.LAB nach Heidelberg zurück.

Wolke Milena Wilke ist Preisträgerin mehrerer renommierter Wettbewerbe. Ausgehend von einer aktiven Konzerttätigkeit als Solistin (mit Orchestern wie dem Deutschen Symphonieorchester Berlin oder dem Freiburger Philharmonischen Orchester) und als Kammermusikerin bei namhaften Festivals und Konzertreihen, hat sie ihre künstlerischen Aktivitäten in den vergangenen Jahren in Richtung Theater, Gesang, Performance sowie Komposition von Musik und Texten ausgeweitet. Dank ihrer mehrgleisigen Ausbildung – abgeschlossener Master of Music bei Prof. Antje Weithaas in Berlin sowie derzeitige Weiterbildung in den Fächern (Musiktheater-) Regie und Schauspiel – konnte sie bereits zahlreiche eigene Projekte als interdisziplinäre Performerin auf die Bühne bringen. Ihre breitgefächerte Expertise fließt in ihre Arbeit als Regisseurin und Dramaturgin ein. Seit 2022 ist Wolke Milena Wilke Ensemblemitglied der Berliner Musiktheater-Company „Nico and the Navigators“.

Die französisch-britische Musikerin, 2001 geboren im kanadischen Montreal, meistert den Balanceakt einer künstlerischen Entwicklung in zwei musikalischen Welten. Mit gerade einmal 16 Jahren schaffte sie die Aufnahmeprüfung am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse in Paris, wo sie in der Viola-Klasse von David Gaillard und Nicolas Bône studiert. Während sie als klassische Bratschistin sowohl bei renommierten Festivals als auch in zahlreichen Kammermusikformationen Erfolge feiert, etabliert sie sich zugleich als Sängerin, Komponistin und Produzentin mit ihrer eigenen Musik im Bereich Soul, Jazz und R’n’B. Nina Tonjis erste eigene Albumveröffentlichung ist für 2024 geplant.

Der in Berlin lebende Brite, Jahrgang 1997, wurde bereits im Alter von zehn Jahren Jungstudent an der Londoner Royal Academy of Music und war Preisträger gleich mehrerer Wettbewerbe. So gewann er 2019 den Barbirolli- Preis der Lionel Tertis Viola Competition. Nach Studien an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin bei Tabea Zimmermann setzt Toby Cook seine Studien seit Oktober 2023 in der Solo-Masterklasse bei Lawrence Power an der Zürcher Hochschule der Künste fort. Er tritt regelmäßig in ganz Europa auf, zuletzt beim Schiermonnikoog- Festival in den Niederlanden und dem Gstaad Menuhin Festival in der Schweiz. 2023 war er beim Heidelberger Frühling Musikfestival als Mitglied des Feguro Quartetts im Festivalcampus-Ensemble zu erleben. Die gesellschaftliche Relevanz klassischer Musik und ihre kommunikative Vermittlung sind Toby Cook ein besonderes Anliegen.

Mit dem von ihm mitgegründeten Animato Quartett hat der niederländische Cellist sich durch Erfolge bei bedeutenden Wettbewerben und Festivals einen Namen gemacht, darunter beim Internationalen Streichquartettwettbewerb in Banff und bei der Verbier Festival Akademie. Das 2013 gegründete Quartett kombiniert klassisches Repertoire mit zeitgenössischer Musik, darunter zahlreiche Auftragswerke, und widmet sich regelmäßig interdisziplinären Formaten. Pieter de Koe ist auch als Solist aktiv; in Kollaborationsprojekten mit Künstler*innen anderer Sparten geht er seinem Interesse für Architektur, Design und Bildende Kunst nach. Zu den Höhepunkten der kommenden Saison gehört die Uraufführung seines Projekts „Suite B“ rund um Benjamin Brittens Cellosuiten mit dem Tänzer Uri Eugenio, das anschließend auf Tournee geht. Pieter de Koe studierte in Den Haag und Freiburg bei Monique Bartels, Michel Strauss und Jean- Guihen Queyras. Er spielt ein wertvolles Instrument von Theodorus Cuypers aus dem späten 18. Jahrhundert.

Der in Kanada geborene, in Berlin lebende Cellist gab im Alter von 14 Jahren sein Debut in der Carnegie Hall. Preise bei einigen der international renommiertesten Wettbewerbe – u. a. Concours Reine Elisabeth in Brussel, Concours de Geneve – begrundeten seine Karriere als einer der aufregendsten jungen Instrumentalisten der Klassik-Szene. Bryan Cheng arbeitet intensiv mit zeitgenossischen Komponist*innen zusammen und schreibt eigene Arrangements, um das Repertoire seines Instruments zu erweitern. In seinem vierten Recital-Album stellt er Auftragswerke und eigene Arrangements von Komponist*innen asiatischer Herkunft vor. Im Duo mit Leonard Disselhorst sorgte er 2022 im re:start-Programm des Heidelberger Fruhling in allen Stadtteilen fur Begeisterung. Als Mitglied des Cheng2-Duos ist er in der ganzen Welt unterwegs. Derzeit absolviert Bryan Cheng das Professional Studies Programm der Kronberg Academy bei Wolfgang Emanuel Schmidt. Er spielt ein kostbares Stradivari-Cello aus dem Jahr 1699.

Der junge Kontrabassist bringt seine Erfahrungen als Mitglied des ersten Jahrgangs des Festivalcampus- Ensembles 2023 mit und ubernimmt im Brahms.LAB als Mit-Kurator umfangreiche Verantwortung. Hans Greve interessiert sich fur Interdisziplinaritat und ungewohnliche Formen der Kollaboration. Neben seinem Masterstudiengang an der Musikhochschule Freiburg studiert er Philosophie und Psychologie. Als Solist, Kammermusiker und Orchestermitglied wirkt er in einer Reihe experimenteller Projekte mit, darunter das Schweizer Ensemble- Kollektiv arte frizzante, als dessen Mitglied er seit 2020 eigene kunstlerische Ideen umsetzt. Hier war er auch fur die Konzeption der Saison 2023 verantwortlich, die interdisziplinare Projekte mit Tanz und Szenografie beinhaltet.

Julius Schepansky komponiert, improvisiert und interpretiert. Er ist in der Klassik wie im Jazz zu Hause – und zwar gleich auf zwei Instrumenten. Im Alter von sechs Jahren begann er sich fur das Akkordeon zu interessieren; schon mit 14 wurde er beim renommierten internationalen Akkordeonwettbewerb in Klingenthal ausgezeichnet. Julius Schepansky studierte bei Mie Miki an der Folkwang Universitat der Kunste Essen. Nach einem einjahrigen Aufenthalt in Kopenhagen ist er derzeit Masterstudent an der Universite de Montreal. Im Fach Jazz-Klavier bildet er sich nach abgeschlossenem Studium bei Thomas Ruckert nun als Privatschuler des Amerikaners Glenn Zaleski weiter. 2019 wurde er mit dem „Rising Stars“-Preis Monchengladbach fur Jazz-Klavier ausgezeichnet. Er trat bei Konzerten in der Kolner und der Essener Philharmonie, in der Laeiszhalle Hamburg und der Tonhalle Dusseldorf auf und war zu Gast bei internationalen Festivals.

Der Klarinettist und Sänger Žilvinas Brazauskas ist ein vielseitiger Solist und Kammermusiker, bekannt für seine charismatischen Auftritte, die von klassischem Repertoire bis hin zu Jazz Improvisationen reichen. Darüber hinaus spielt Žilvinas verschiedene Instrumente wie Klavier, Gitarre und das traditionelle litauische Volksinstrument Birbynė, dessen Besonderheiten er sein Publikum mit Begeisterung präsentiert. Der gebürtige Litauer ist Preisträger von Wettbewerben wie dem Mendelssohn-Bartholdy Wettbewerb und der "Jeunesses International Music Competition" in Bukarest und war Semifinalist beim ARD Musikwettbewerb. Als Solist trat er u.a. mit Orchestern wie dem Konzerthausorchester Berlin, den Brüsseler Philharmonikern und dem Münchner Kammerorchester auf. Darüber hinaus spielt er in den Kammermusikensembles Jazzical Class und Trio Agora, wo er ein breites Spektrum von Jazz und Unterhaltungsmusik bis hin zu zeitgenössischer Musik sowie eigenen Kompositionen und Arrangements erforscht.

Tamara Kurkiewicz ist eine polnische Perkussionistin und Performerin mit einem starken Fokus auf neue und experimentelle Musik. Im Jahr 2018 gewann sie den Hauptpreis beim 12. Wettbewerb für Musik des 20. und 21. Jahrhunderts für junge Performer*innen in Polen. Als Solistin und Kammermusikerin tritt Tamara bei verschiedenen nationalen und internationalen Festivals auf, darunter der Warschauer Herbst, das KODY Festival für Traditionelle und Avantgardemusik, das Klangspuren Schwaz Tiroler Festival für Neue Musik und das IMPULS Festival. Der performative Aspekt der Werke und ihr außermusikalischer Kontext sind für die Perkussionistin von besonderer Bedeutung. Sie nimmt regelmäßig an Konzerten teil und organisiert selbst Veranstaltungen mit, die sowohl feministische Anliegen als auch andere gesellschaftliche Fragen beleuchten.

Künstler*innen 2023
Das Festivalcampus-Ensemble 2023 bestand aus 22 jungen, exzellenten Musiker*innen, die im großen Eröffnungskonzert im Heidelberger Frühling Musikfestival 2023 und in den folgenden Wochen in verschiedenen Besetzungen in der ganzen Stadt zu erleben waren. Dazu zählten die Ensembles Feguro Quartett (Jona Schibilsky, Benjamin Günst, Toby Cook, Milan Drake), Nerida Quartett (Saskia Niehl, Nevena Tochev, Grace Leehan, Alma Tedde), Kandinsky Quartet (Hannah Kandinsky, Evgenii Artemenkov, Ignazio Alayza, Antonio Gervilla), qunst.quintett (Alexander Koval, Julia Obergfell*, Martin Fuchs, Andreas Becker) und die Solist*innen Charlotte Thiele, Sara Göbel, Lisa Rauchbach, Aoi Selditz und Hans Greve.
*wegen Erkrankung sprangen Stefan Zeininger, Augustin Gorisse und Vicente Castello ein