KLAUSUR 2017
Szenario Zukunft
Heidelberg im April 2017
Frühe Gedanken „zum neuen heißen Shit“
von Malte Hemmerich
Wer die Zukunft definieren will, muss die Gegenwart verstehen… Oder doch lieber vernichten und einen kompletten Neustart machen? Eine von vielen Fragen und Ansätzen, die 11 Stipendiat*innen der Akademie Szenario. Zukunft beim Heidelberger Frühling 2017, aufflackern ließen. Muss der Ist-Zustand eines Konzertablaufs und die Zusammensetzung eines Publikums durchgekaut werden, um eine Performance der Zukunft zu entwerfen? Andererseits ist es doch allzu einfach und billig, schlicht die Mängel des großen Kultur-, Festival- und Konzertbetriebs zu benennen, die so oft wahnsinnig werden lassen. Und was ist schwieriger, als „das Publikum zu definieren, wobei sofort die nächsten Grundsatzfragen auftauchen: Kann ein/e Kulturschaffende/r wissen, was das Publikum sehen und hören will? Und tut er oder sie dann genau das Gegenteil? Oder ist es tatsächlich simpel und nicht etwa Wunschdenken: Das, was die Kulturmacher*innen begeistert, bannt auch die, die rezipieren?!

Wer die Zukunft
definieren will,
muss die Gegenwart
verstehen…
„DIE Kulturmacher’innen“ ist übrigens missverständlich, denn da gibt es keineswegs eine homogene Gruppe. Musikjournalist*innen treffen auf Musiker*innen, Dramaturg*innen, Vermittler*innen, Performancekünstler*innen, Schauspieler*innen und Komponist*innen tummeln sich vier Tage lang auf engstem Raum. Für jeden und jede ist Kunst, die Musik im Speziellen, etwas anderes, Erfahrungen sind oft gleich, dann wieder diametral entgegengesetzt. Alle eint der Wunsch nach einer Kunst, die wieder gesellschaftlich relevant wird. Kunst, die in andere Lebensbereiche einfallen und nachwirken soll, jeder Parameter eines Ereignisses soll sich bedingen. Ein Prozess, den das Publikum mit durchlebt und durch den sich alle verändern. Der sich nicht nur Repertoirekundigen und Intellektuellen mitteilt, sondern einer interessierten Masse.
Einzige Voraussetzung: Offenheit dazu, etwas zu erleben, ohne Erwartungsraster vorher und vielleicht auch ohne direktes Verständnis danach. Ein Traum von einem Publikum: Eines, das öfter aufgeklärt ist, in einem kunstrezeptorischen Sinne. Das sowohl kritisch reflektiert, was es wahrnimmt, und auch hinterfragt, was da vorgesetzt wird. Aus einem passiven Auditorium können Erlebende werden. Das alles ist nicht neu in der Theorie, aber in der täglichen Praxis keineswegs selbstverständlich.
Die Kunst der Zukunft muss immer wieder erprobt werden.
Mit allen Kunstmitteln und deren Kraft.
Das wird uns alle positiv anstrengen.
Die Ansätze, mit denen das erreicht werden kann, unterscheiden sich: Für den einen funktioniert lebensnahe Kunst stark über die sinnlichen Reize, der/die andere schätzt ihre intellektuelle Tiefe und versucht ihr Umsturzpotenzial herauszuarbeiten. Für den Dritten geht all das gar nicht weit genug. Deshalb unterscheiden sich die Herangehensweisen der zwei Projekte. „Das geht nicht“, wird erst einmal ausgeschlossen, Regeln und Dogmen ständig hinterfragt. Es wird darüber gestritten, ob der Gegenstand die Macher*innen überfordern darf, und dann auch dem Publikum zugemutet werden kann.
Statt zu viel zu negieren wird gesponnen: Musikerfahrungen werden in der Gruppe geteilt, die, die nachhaltig veränderten. Große Performances mit politischer Position, an ungewohnten Orten, oder schlicht klassische Konzertmusik, stets ein bißchen gigantisch, vereint durch eine tatsächliche Aussage und die Unwiederbringlichkeit des Moments. Wer merkt, dass er/sie etwas Einmaliges erlebt, kann sich nicht langweilen. Die Kunst der Zukunft muss immer wieder erprobt werden. Mit der völligen Verausgabung aller Kunstmittel und Kräfte möchte die Gruppe das tun. Dies kann alle Beteiligten positiv anstrengen. Aus gutem Grund.